Mohamed Ibrahim

Hamburg, 15.02.2013, Frankfurt, 18.06.2010 und Wolfsburg, 30.04.2010 

Thema: Friede – „sie sollen verzeihen und nachsichtig sein!“

Liebe Brüder und Schwestern, 

dem Paradies, das ein Ziel und ein Wunsch von jedem von uns im jenseitigen Leben ist, hat Allah den Namen „dar-u-ssalam“ ‚Bleibe des Friedens’ gegeben!
Dies finden wir in Sure al-An’am (06:127): „Für sie wird es eine Bleibe des Friedens geben bei ihrem Erhalter …“ und in Sure Yunus (10:25): „Und (wisse, dass) Gott (den Menschen) einlädt zur Bleibe des Friedens …“
 
Dieser Friede im jenseitigen Leben kommt daher, dass Allah die Herzen der Menschen, die Er ins Paradies eintreten lässt, reinigt, so dass es keinen Platz darin für negative Gefühle gibt, weder für Groll noch für Hass noch für Neid noch für Feinseligkeit usw.
Über diesen Tag, an dem alle Menschen zu Allah kommen, sagt Allah in Sure asch-Schu’ara’ (26:88-89): „dem Tag, an dem Weder Reichtum noch Kinder von irgendwelchem Nutzen sein werden, (und da) nur der (glückselig sein wird), der vor Gott mit einem Herzen frei von Übel kommt!“ Also das reine, friedvolle und –liebende Herz bringt den, dem dieses Herz gehört, ins Paradies, Bleibe des Friedens! 
 
Dass Allah die Herzen der Paradiesbewohner von jeglichen negativen Gefühlen frei und fern hält finden wir in Sure Al-A’raf (07:42-43): „ … sie sind für das Paradies bestimmt, darin zu verbleiben, nachdem Wir hinweggenommen haben werden, was immer an unwürdigen Gedanken oder Gefühlen in ihren Busen (noch vorhanden) gewesen sein mag. …“
Von der ersten Gruppe, die ins Paradies eintreten wird, sagt der Prophet (s): „zwischen ihnen gibt es weder (Meinungs) Unterschiede noch Hass bzw. Feindseligkeiten, als ob sie ein Mensch mit einem Herzen wären!“
 
Viele Koran- und Sunnahgeschichten führen uns die Wichtigkeit der Reinheit des Herzens (von negativen Gedanken und Gefühlen!) vor Augen. Diese Reinheit des Herzens verleiht einem die Fähigkeit, anderen zu verzeihen!
 
Die Geschichte des Propheten Yusuf und seiner Brüder, die in Sure Yusuf (12) erzählt wird, liefert uns zwei sehr schöne Beispiele:
- Als seine Brüder zu ihm nach Ägypten kommen, sagt er zu ihnen, trotz alldem, was sie ihm angetan haben (12:92): „Kein Tadel soll heute gegen euch vorgebracht werden. Möge Gott euch eure Sünden vergeben: denn Er ist der Barmherzigste der Barmherzigen!“
- Als später dann seine ganze Familie inklusive seiner Eltern kommt sagt er zu seinem Vater (12:100): „O mein Vater! Dies ist die wahre Bedeutung meines Traumes von einst, den mein Erhalter hat wahr werden lassen. Und Er war fürwahr gut zu mir, als Er mich aus dem Gefängnis befreite und (als) Er euch (alle) aus der Wüste (zu mir) brachte, nachdem Satan zwischen mir und meinen Brüdern Zwietracht gesät hatte. …“
Er erinnerte hier seine Brüder nicht an ihre Tat, als sie ihn in den Brunnen geworfen haben! Er hat auch nicht gesagt, dass sie aus Hungersnot zu ihm gekommen seien, sondern er sagte lediglich: Gott brachte euch! Er tadelte seine Brüder nicht, sondern stellte sich einfach als einer Seite dar, zwischen der und der anderen Seite (seiner Brüder!) Satan Zwietracht gesät hatte!
 
Ähnliches finden wir in der Geschichte Abu Bakrs, (des ersten Kalifen), dessen Ruf und Ehre durch einen seiner Verwandten, dem er in der Vergangenheit immer wieder geholfen hat, in den Schmutz gezogen wurde! (Jener behauptete mit anderen, Aischa, Tochter Abu Bakrs und Ehefrau des Propheten (s) habe Unzucht begangen!)
In Sure an-Nur (24:22) lesen wir: „Darum (selbst wenn ihnen durch Verleumdung Unrecht geschehen ist,) sollen jene von euch, die mit (Gottes) Gunst und Mühelosigkeit des Lebens begnadet wurden, nicht nachlässig werden, (den Irrenden unter) ihren nahen Verwandten zu helfen und den Bedürftigen und jenen, die den Bereich des Übels um Gottes willen verlassen haben, sondern sie sollen verzeihen und nachsichtig sein. (Denn) wünscht ihr euch nicht, dass Gott euch eure Sünden vergeben sollte, angesichts dessen, dass Gott vielvergebend, ein Gnadenspender ist?“
Der Aufruf, zu „verzeihen und nachsichtig“ zu sein, stimmt völlig mit dem qur’anischen Prinzip überein, dem Übel mit Gutem zu begegnen.
Abu Bakr sagte nach der Offenbarung dieses Koranverses: „doch wir wünschen uns, dass Gott uns unsere Sünden vergibt“ und entschloss sich, seinem Verwandten trotz seiner Übeltat zu verzeihen und ihm weiterhin (finanziell) zu helfen.
 
Eine dritte und letzte Geschichte finden wir in der Sunnah des Propheten (s). An drei aufeinander folgenden Tagen sagte der Prophet (s) zu seinen Gefährten, die um ihn versammelt waren: gleich kommt einer, der zu den Paradiesbewohnern gehört! An allen drei Tagen erschien die gleiche Person. Abdullah ibn Amr, ein Gefährte des Propheten (s) wollte dahinter kommen, warum dieser Mensch zu den Paradiesbewohnern gehört und bat ihn deswegen darum, für drei Tage sein Gast zu sein. Nach Ablauf der drei Tage sagte Abdullah zu ihm: dreimal sagte der Prophet (s) von dir, dass du zu den Paradiesbewohnern gehörst, ich habe aber nicht gesehen, dass du mehr tust als das, was wir tun!
Daraufhin sagte Abdullahs Gastgeber zu ihm: Das stimmt! Ich tue nur das, was du gesehen hast, aber wenn ich mich am Ende des Tages schlafen lege, ist mein Herz frei von jeglichen negativen Gedanken und Gefühlen!
Als Abdullah dies hörte, sagte er: dies ist es, was dich zu dieser Stellung hat kommen lassen und dies ist es, was wir nicht vermögen (was uns schwer fällt!).
 
Wir werden dazu angehalten, unsere Herzen rein und frei von jeglichen negativen Gedanken und Gefühlen zu halten, so gut es uns gelingt! Dass jeder an sich arbeitet, um auch einen gewissen Frieden in seinem Herzen zu spüren!
In dem Zusammenhang sind zwei Aussprüche des Propheten (s) sehr erwähnenswert:
Der Prophet (s) sagte: „An jedem Montag und jedem Donnerstag werden die Taten (der Menschen) zu Allah empor gehoben; Er vergibt dann jedem, der kein Schirk begeht (also Gott niemanden und nichts beigesellt oder mit ihm auf einer gleichen Stufe stellt!) bis auf zwei Menschen, zwischen denen Unfriede besteht! Allah sagt zu seinen Engeln: lasst diese zwei Menschen bis sie sich versöhnen, also Frieden schließen! Das heißt: erst danach haben diese zwei Menschen Anrecht bzw. Hoffnung auf Allahs Vergebung!
In dem zweiten Ausspruch des Propheten (s) heißt es: „Wenn zwei Menschen im Streit bzw. im Unfrieden miteinander sind und einander begegnen, geht der eine in die Richtung und der andere in die andere Richtung!; der bessere von beiden ist indes der, der mit dem Frieden beginnt!“
 
Die menschlichen Beziehungen beruhen auf Gegenseitigkeit. Oft denken wir gutes von uns selbst, hingegen denken wir schlechtes von den anderen! Oft meinen wir, dass wir besser als die anderen seien! Oft sehen wir das Recht auf unserer Seite und beschuldigen die anderen, im Unrecht zu sein! Versuchten wir aber, uns in die Lage der anderen zu versetzen, würden wir sehen, dass die anderen auch genau so denken!
Derjenige, der den ersten Schritt tut, um den anderen näher zu kommen und sich mit ihnen zu versöhnen, ist der bessere, wie der Prophet (s) dies sagte.
Entsprechend sagt Allah am Anfang der Sure al-Anfal (08:01): „Bleibt euch denn Gottes bewusst und bringt die Beziehung zwischen euch in Ordnung (erhaltet also die Bande der Brüderlichkeit unter euch am Leben!) und gebt acht auf Gott und Seinen Gesandten, wenn ihr wahrhaft Gläubige seid!“
 
Der Friede beginnt in den Herzen der Menschen! Möge jeder bei sich beginnen und an sich arbeiten, um sein Herz mit Frieden zu füllen und von jeglicher Feindseligkeit zu befreien! Nur so kann sich der Friede zwischen den Menschen verbreiten und nur so dürfen wir auf Allahs Vergebung hoffen, nachdem wir Anderen verziehen haben!
 
Möge Allah der Erhabene uns zu seinen rechtschaffenen Dienern zählen, amen!