Mohamed Ibrahim

Hamburg, 22.02.2013 und Wolfsburg, 23.04.2010

Thema: Richtig entscheiden?!

Liebe Brüder und Schwestern,

im Laufe seines Lebens hat der Mensch immer wieder Entscheidungen zu treffen, steht vor Entscheidungen, weiß nicht, welchen Weg er dann geht? Wie geht man vor in solchen Situationen? Wie trifft man Entscheidungen?

Der Islam hat uns drei Vorgehensweisen, drei Dinge, drei Hilfestellungen sozusagen genannt, gegeben:

Einmal dass man sich bemüht, seinen Verstand und sein Wissen einsetzt um zu einer richtigen Entscheidung zu kommen. Das zweite, dass man andere zu Rate zieht. Und das dritte ist, dass man ein Gebet verrichtet mit der Bitte um das Finden der richtigen Entscheidung.

Und all diese Dinge – liebe Brüder und Schwestern – macht man bei Entscheidungen, bei denen es sich um Dinge handelt, die im neutralen Bereich liegen, weil es eben Dinge oder Handlungen gibt, die Pflicht sind, andere, die erwünscht sind, andere, die unerwünscht sind und wiederum andere, die verboten sind! Diese Dinge, da haben wir eine klare Vorgabe von Allah, wie man zu handeln hat. Aber der größte Bereich der menschlichen Handlungen liegt im Bereich des Neutralen, wo man eben Entscheidungen zu treffen hat!

Man wird dazu angehalten, sein Bestes zu geben, um eben das Beste für sich zu erreichen, von dem man denkt, dass das gut für einen ist! Dies finden wir in der Aussage des Propheten (s): „sorge dich um das, was dir nutzt!“ setze dich dafür ein, kümmere dich darum, eben um das, was dir nutzt, was dich weiter bringt und bitte Allah um seine Hilfe. Dass man sich einsetzt, dass man sich darum sorgt oder kümmert – liebe Brüder und Schwestern – bedeutet aber auch, dass dies im Rahmen des Erlaubten zu geschehen hat. Das heißt: es geht nicht, dass man sagt: ich versuche mich durch unerlaubte Art und Weise zu bereichern, z.B. durch Zinsnahme, in der Meinung, dass es einem nutzt, wobei Allah einem dies verboten hat, dies nur als Bespiel!

Auch – liebe Brüder und Schwestern – das, was einem nutzt, darf anderen nicht schaden, das heißt: man darf nicht so handeln nach dem Motto „Ich und nach mir die Sintflut!“, sondern dass man sich der Aussage des Propheten (s) erinnert: „kein Schaden für mich, aber auch kein Schaden für andere!“

Auch bei Entscheidungen, die verschiedene Personen betreffen, z.B. in der Familie, in einem Unternehmen oder in einem Team, dass man nicht eigennützig handelt oder die Entscheidung trifft, sondern dass man auch die anderen Menschen, die anderen Personen bei seiner Entscheidung berücksichtigt, dass denen auch kein Schaden entsteht!

Zweitens – liebe Brüder und Schwestern – dass man sich andere zu Rate zieht, dass man nicht nur die eigene Meinung hat, sondern, dass man sich andere Meinungen einholt!

Die gegenseitige Beratung ist ein wichtiges Prinzip im Islam, so sagt Allah im Koran zu seinem Propheten: „Und berate dich mit ihnen in allen Angelegenheiten von öffentlichem Interesse!“ (Koran 03:159) An andere Stelle beschreibt Allah die Gläubigen so, dass „deren Regel (in allen Angelegenheiten von allgemeinem Interesse) Beratung untereinander ist.“ (Koran 42:38). Entsprechend hat der Prophet (s) gesagt: „Zur Religion gehört die gegenseitige Beratung bzw. der gute Ratschlag!“

Der Prophet hat auch gesagt: „Wenn den einen von euch sein Bruder um seine Meinung bezüglich einer Sache fragt und um einen Rat bittet, so soll dieser jenem einen guten und aufrichtigen Rat geben!“

Aber wen fragt man? – liebe Brüder und Schwestern. Man fragt diejenigen, von denen man weiß, dass sie Wissen haben, dass sie Erfahrungen haben, dass sie z.B. Experten in einem bestimmten Gebiet sind, in dem man eine Entscheidung zu treffen hat!

Wie fragt man? Man stellt seine Situation richtig, aufrichtig und vollständig dar, damit man einen guten Rat, eine gute Hilfe bei der Entscheidung bekommen kann.

Und all dies – liebe Brüder und Schwestern – entbindet einem nicht seine Verantwortung! Das heißt, wenn ich andere um Rat oder Hilfe bei der Entscheidung frage, so entscheiden sie nicht für mich und tragen auch keine Verantwortung für meine eigene Entscheidung! Die Folgen bzw. die Konsequenzen der eigenen Entscheidung hat man selber zu tragen!

Drittens – liebe Brüder und Schwestern – ist das „Istichara-Gebet“, das Gebet um das Finden einer richtigen Entscheidung. Der Gläubige steht in einer Verbindung zu seinem Schöpfer, hat die Liebe zu Allah und hat auch das Vertrauen auf Ihn und weiß, dass Allah die Allmacht hat, dass Allah das Wissen hat und dass Allah die Güte hat. Entsprechend bittet man Allah um eine richtige Entscheidung, weil Allah die Macht, das Wissen und die Güte hat.

In einem Ausspruch des Propheten (s), überliefert von seinem Gefährten Dschabir:

„Der Gesandte Allahs (s) lehrte uns, um Eingebung zur richtigen Entscheidung (bei Allah) zu erbitten, wie er uns auch die Suren des Koran lehrte, indem er sagte:

Wenn einer von euch etwas vorhat, dann soll er ein Gebet verrichten, das aus zwei Gebetseinheiten (Rak’a) besteht und nicht zu den Pflichtgebeten gehört, und anschließend sprechen: „O Allah, ich bitte Dich um die Eingebung der richtigen Entscheidung aufgrund Deines Wissens; und ich bitte Dich um Kraft (zur Durchführung des Vorhabens) durch Deine Macht, und ich bitte Dich um Deine unermessliche Gunst. Denn Du hast die Macht (dazu) und ich nicht, und Du weißt (alles), und ich weiß nicht(s); und nur Du kennst das Verborgene! O Allah! Wenn Du weißt, dass diese Angelegenheit (und nennt sein Anliegen!) gut ist für mich, für meinen Glauben, für meine Lebensführung und für mein Ende (oder sagt: für mein diesseitiges und jenseitiges Leben), so bestimme sie mir und erleichtere sie mir, sie zu erreichen! Und gib mir dann Deinen Segen dazu! Weißt Du aber, dass diese Angelegenheit (und nennt sein Anliegen!) schlecht ist, für mich, für meinen Glauben, für meine Lebensführung und für mein Ende (oder sagt: für mein diesseitiges und jenseitiges Leben), so wende sie von mir ab und halte mich von ihr fern! Bestimme mir Gutes, wo immer dies auch sei, und mache mich dann zufrieden damit.““

Man verrichtet also dieses Gebet und trifft dann seine Entscheidung im Vertrauen auf Allah.

Es ist nicht überliefert, und entsprechend auch nicht richtig, dass man nach diesem Gebet auf eine Eingebung im Traum wartet oder dass man den Koran aufschlägt und nach Zeichen oder Hinweisen für die richtige Entscheidung sucht!

Der große Gelehrte Ibn Taymiyya hat gesagt: „Derjenige wird es nicht bereuen, der den Schöpfer um das Finden der richtigen Entscheidung bittet, der seine Mitmenschen sich zu Rate zieht und der dann standhaft und konsequent seinen Weg geht!“

Der vierte Kalif Ali ibn Abi Talib sagte: „Zur Rechtleitung gehört, dass man sich berät. Wer sich auf seine eigene Meinung beschränkt, geht ein Risiko ein! Eine gute Vorbereitung vor der Durchführung einer Entscheidung bewahrt dich vor der Reue danach!“

Sollte man im Nachhinein meinen oder feststellen, dass man doch eine falsche Entscheidung getroffen hat, so ist dies kein Weltuntergang! Man soll nicht verzweifeln oder sich ständig Vorwürfe machen oder sagen: wenn und wäre!

Stattdessen soll man auf der einen Seite aus seinen Fehlern bzw. falschen Entscheidungen lernen. Auf der anderen Seite akzeptiert man die Bestimmung Allahs und setzt seinen Weg im Vertrauen auf Allah fort.

Der Prophet (s) hat ja gesagt: „Der starke Gläubige ist Allah lieber als der schwache Gläubige; in jedem ist jedoch Gutes vorhanden. Halte dich fest an das, was dir nützt, flehe Allah um Hilfe an und gib nicht auf! Sollte dir etwas zustoßen, dann sage nicht „Hätte ich nur dies und das getan!“ Aber du sollst sagen, „Allah hat es bestimmt und Sein Wille geschieht“, denn „Hätte“ öffnet nur dem Satan die Tür.“

Möge Allah, der Erhabene uns zu seinen rechtschaffenen Dienern zählen, amen!