Mohamed Ibrahim

Hamburg, 08.02.2013, Frankfurt, 30.11.2012, Berlin, 19.10.2012 und Wolfsburg, 12.10.2012

Thema: "und Er erhob einige von euch um Stufen über andere."

Liebe Brüder und Schwestern,
 
wenn man sich seine Gedanken macht, über Gott und die Welt und sich dann die eine oder andere Frage stellt, ist es für einen Muslim nah liegend, angebracht und wichtig, die Antwort auf diese Frage zunächst im Koran zu suchen. Denn im Koran sind die Worte Allahs, bei denen es sich um die absolute Wahrheit handelt. Über den Koran gibt es keinen Zweifel (Koran 02:02), im Koran ist alles dargelegt (Koran 12:111) und zum Koran gelangt keine Falschheit (Koran 41:42).
 
Schaut man sich die Menschen um sich an, stellt man fest, dass diese unterschiedlich sind, in ihren Fähigkeiten, Möglichkeiten, Versorgungen usw. Die einen sind reich, die anderen arm! Die einen sind gesund, die anderen krank. Die einen sind religiös, die anderen sind es nicht! Und so weiter und so fort!
Es stellt sich die Frage: Warum ist dies so? Wenn Gott gewollt hätte, hätte Er alle Menschen in allem gleich gemacht! Warum sind also, aus unsrer Sicht,  manche besser oder schlechter dran als andere?!
 
Im Koran finden wir drei mögliche Antworten:
 
-         In Sure al-An’am (06:165) sagt Allah: "Denn Er ist es, der euch die Erde erben ließ und einige von euch um Stufen über andere erhob, damit Er euch durch das prüfen möge, was Er euch erteilt hat."
Also: damit Er euch durch das prüfen möge, was Er erteilt hat!
Diese Prüfung betrifft einerseits die Beziehung bzw. Einstellung der Menschen zu Allah, andererseits betrifft sie aber auch die Beziehung bzw. Einstellung der Menschen zu einander.
Geht es uns gut, so sollten wir dankbar sein, geht es uns hingegen schlecht, so sollten wir geduldig und standhaft sein. Beides sind Tugenden: Dankbarkeit und Geduld.
Der Prophet (s) sagte: "Trifft den Gläubigen Gutes, so ist er dankbar, was gut für ihn ist, trifft ihn hingegen Schlimmes, so übt er sich in Geduld, was auch gut für ihn ist. Dies ist nur dem Gläubigen gegeben bzw. möglich!"
Die Menschen sollen zu einander halten und einander helfen! Der Reiche gibt dem Armen, der Starke steht dem Schwachen zur Seite usw.
Wichtig sind auch die Gefühle, die wir in unseren Herzen hegen. Keine Überheblichkeit oder Geringschätzung auf der einen Seite, Seite der Gutdargestellten! Aber auch kein Hass, Neid oder Heuchelei auf der anderen Seite, Seite der Schlechtdargestellten! Alle sollten die Zufriedenheit mit Gottes Bestimmung verinnerlichen.

-         In Sure al-Isra’ (17:21) sagt Allah: "Schau, wie Wir (auf Erden) einigen mehr Huld erteilen als anderen: aber (gedenke, dass) das kommende Leben viel höher an Rang und viel größer an Verdienst und Huld sein wird."
 
Hier wird das Augenmerk auf das kommende Leben gelenkt, um das jetzige diesseitige Leben als Vorbereitung darauf zu verstehen bzw. anzusehen. Nur in Verbindung mit dem kommenden Leben können wir das diesseitige Leben einigermaßen begreifen.
Im kommenden Leben gibt es keine Benachteiligung, sondern "absolute" Gerechtigkeit!
Wichtig auch: beschäftigt euch nicht so sehr mit euren Stufen oder Stellungen hier, sondern trachtet nach besseren Stufen und Stellungen im kommenden Leben! Diese könnt ihr nur durch eure Rechtschaffenheit und euer gutes Tun erreichen.
Auch: die unterschiedlichen Stufen bzw. Stellungen der Menschen hier sind eine Art Beispiel bzw. Gleichnis für die wichtigeren und besseren Stufen im kommenden (ewigen) Leben.
 
-         In Sure as-Sukhruf (43:32) sagt Allah: „Aber sind sie es, welche die Gnade deines Erhalters verteilen? (Nein, da) Wir es sind, welche ihre Mittel des Lebensunterhalts unter ihnen im Leben dieser Welt verteilen und einige von ihnen um Stufen über andere erheben, zu dem Zweck, dass sie sich die gegenseitige Hilfe zunutze machen. Und die Gnade deines Erhalters ist besser als all (der weltliche Reichtum), den sie anhäufen mögen.“
 
Also: zu dem Zweck, dass sie sich die gegenseitige Hilfe zunutze machen!
Wären alle Menschen gleich gestellt, würde niemand die Hilfe der anderen brauchen! Kein Mensch würde im Dienste der anderen sein wollen. Somit würde auch kein Leben der "Gegenseitigkeit" zustande kommen. Aber damit die Menschen einander brauchen, einander ergänzen in ihrem Zusammenleben, gibt es diese unterschiedlichen Stufen bzw. Stellungen.
Am Ende des Koranverses wird hier aber betont, dass das Trachten und Streben nach der Gnade Gottes (im jetzigen aber auch im kommenden Leben!) besser als all (der weltliche Reichtum), den die Menschen anhäufen mögen.
Also: haltet Maß, wahrt das Gleichgewicht und strebt nach Gottes Gnade!
 
Weil unsere Möglichkeiten des Begreifens durch unseren „begrenzten“ Verstand begrenzt sind, betont der Koran an vielen Stellen: „denn Gott weiß, während ihr nicht wisst!“ (z.B. Koran 24:19)
 
Möge Allah der Gnädige und Barmherzige uns zu seinen rechtschaffenen Dienern zählen, amen!